Austauschschueler - Tagebuchnotizen 2003/2004- Franziska Rodewald |
---|
Hi guys, Es tut mir wirklich ganz doll leid, dass ich mich nun fast ein halbes Jahr lang schon nicht mehr gemeldet habe. Es war immer so viel los und ich habe das Schreiben von Wochenende zu Wochenende verschoben, wodurch sich nun so viel angehäuft hat, dass dies sicher ein etwas längerer Bericht wird. :) Vom Winter gibt es nicht mehr so viel Spannendes zu berichten, er war lang und kalt, wir hatten teilweise meterhohen Schnee - die Schule fiel leider nur einmal wegen des Schneesturmes aus, doch die Straßen waren den gesamten Januar und Februar hindurch gefährlich glatt. Meine Kickboxing"karriere" endete im Januar, als ich für das Schulmusical "Annie" vorsprach und vier Nebenrollen bekam. Wir probten ungefähr zwei Monate lang jeden Tag und hatten Gesangs-, Tanz- und Schauspielunterricht. An den Wochenende bauten wir unser Bühnenbild oder übten unsere Choreografien ein. Es war sehr stressig, aber unsere 30 Castmitglieder wuchsen sehr schnell zu einer Gruppe, oder wie die kitschliebenden Amerikaner sagen würden: family zusammen und wir hatten sehr viel Spaß. Dieses wurde auch von unserem jungem und sehr theaterleidenschaftlichem Lehrer unterstützt. Je näher die Aufführungen rückten, desto aufgeregter wurden wir natürlich, auch wenn wir Lieder wie "It´s a hard knock life" oder "Tomorrow" schon nicht mehr hören konnten, sie aber gleichzeitig jede Nacht im Schlaf oder unbewusst während der Schulstunde sangen oder summten. Als der Tag der ersten öffentlichen Aufführung dann da war, hatten wir Katastrophen wie den Ausfall unseres Hauptdarstellers zwei Wochen vorher und das Streichen sowie Umgestalten einiger Szenen überstanden. Die Bühnenbilder sahen dank der Hilfe der Kunstkurse sehr authentisch aus, unsere Ton- und Lichtleute waren eingearbeitet, das Orchester startklar und wir hatten unseren Text intus. Es konnte eigentlich nichts mehr schief gehen! Die Aula war an allen drei Tagen ausverkauft und wir bekamen sehr gute Kritiken. "Ärgerlich" war für mich nur, dass das Publikum bei meinen Sätzen ständig albern kicherte, auch wenn ich gar nichts Witziges sagte, sie aber meinen "niedlichen deutschen Akzent" so amüsant fanden. Wir waren alle sehr zufrieden und unsere Castparty nach der letzten Aufführung war zwar sehr lustig und schön, aber auch traurig, da wir aus unterschiedlichen Klassenstufen und Schulen zusammengesetzt waren und uns nach "Annie" leider nicht mehr so häufig sehen konnten. Ich denke, dass dieses Theaterstück das Beste war, was ich machen konnte, denn ich habe dort so viele neue Freunde kennen gelernt! Doch auch danach wurde mir nicht langweilig. Die Leichtathletiksaison hatte begonnen und ich wurde ein "sprinter and jumper". Bei Wettkämpfen lief ich 100m und 200m und war eine der Weitspringerinnen. Meine Resultate waren eher nicht so berauschend, aber es ging mir mehr darum im Team zu sein und Spaß zu haben und das hatten wir! Wir hatten jeden Tag nach der Schule zwei Stunden lang Training, wozu Ausdauertraining, Gewichtheben und natürlich unsere Bereiche gehörten. Außerdem hatten wir meistens dienstags, donnerstags und samstags Wettkämpfe, auswärts oder zu Hause im schuleigenen Stadion. Toll war es, wenn ich bei diesen Wettkämpfen oder "meets", wie wir sie nannten, deutsche Austauschschüler traf. An vielen Tagen waren wir erst gegen 22Uhr zu Hause und das hieß dann, dass die Hausaufgaben wohl am nächsten Tag in der Schule erledigt werden mussten. Es war eine schöne Erfahrung und wie gesagt, wir hatten eine Menge Spaß, doch kam ich mit der Einstellung meines Coaches und der einiger Sportler nicht klar. Sie meinten, Gewinnen wäre alles und gingen sehr verbissen an die Sache heran. Dies ging so weit, dass sie mit Verletzungen an den Wettkämpfen teilnahmen, um weiterhin Punkte zu sammeln. Zum Ende hin, als es um die Regionalmeisterschaften ging, wurde es noch viel schlimmer und ich war ganz froh wegen meiner Prüfungen etwas früher aufhören zu können und alles ganz entspannt als Zuschauer beobachten zu können. Unsere Mädchen schnitten nicht so gut ab, doch unser Jungenteam wurde Vizemeister. Mitte April, vor den Meisterschaften gab es aber für uns noch Frühlingsferien oder die berühmte "spring break". Für viele unserer Freunde hieß das Urlaub in Cancun, was sich in Mexiko befindet und wo sie bereits legal Alkohol trinken durften. :) Andere flogen nach Kalifornien oder Florida. Für Line und mich fiel das leider aus, da wir von unserer Organisation dazu verpflichtet waren, immer mit jemandem über 25 zu reisen. Diese Enttäuschung hielt allerdings nicht lange an, denn wir hatten zwei großartige "Entschädigungen". Erst flog unsere Gastmutter mit uns für fünf Tage nach South Carolina an den Myrtle Beach. Wir konnten uns etwas vom kalten und regnerischen Michigan erholen und sonnten uns oder erfrischten uns im Ozean. Na ja, besser gesagt, ich erfrischte mich, meiner NORWEGISCHEN Gastschwester war es zu kalt. *smile* Anschließend flogen wir braungebrannt für einen Tag zurück nach Michigan, um unsere Koffer neu zu packen. Dann brachen wir nach New York auf, wo wir bei Bekannten meiner Oma bleiben konnten. Es war total AWESOME! Paul und Astrid, bei denen wir wohnten, waren sehr locker und sie nahmen uns morgens mit in die Innenstadt und abends konnten wir einen Zug nehmen oder zum UN Gebäude gehen (wo Paul arbeitet), von wo aus sie uns wieder mitnehmen würden. Natürlich versuchten wir so viel wie möglich zu sehen und liefen wie typische Touris mit Fotoapparaten, Stadtkarten und "I love New York"- T-Shirts durch die Stadt, wir sahen Ground Zero, the Statue of Liberty, Ellis Island, the Empire State Building, the Chrysler Building, Central Park, Strawberry Fields, das UN Gebäude (mit privater TOUR :) ), the Trump Tower, Times Square und die Shops der Fifth Avenue von innen. Es war wirklich sehr aufregend und interessant und da auch das Wetter traumhaft war, fiel uns der Abschied sehr schwer! Die folgenden drei Schulwochen wurden mit Promvorbereitungen verbracht. An unserer Schule ist der große Schulball für Juniors und Seniors, sodass auch meine Freunde aus den 11.Klassen dabei sein konnten. Alle Gespräche drehten sich wochenlang nur darum, wer mit wem gehen wird, wer wem abgesagt hat, die Kleider wurden beschrieben, die Jungs beklagten sich, dass sie für diesen einen Abend so viel Geld für einen Smoking ausgeben mussten und die Eltern bekamen Anfälle, wenn einige ihrer Töchter an die 400 Dollar für Kleid, Schuhe und Schmuck ausgaben. Line und ich taten uns mit einigen unserer Freunde zusammen und gingen in einer großen Gruppe. Wir feierten in einem großen Restaurant mit Tanzfläche und Buffet. Die ersten Stunden wurden mit Essen und "Fotos schießen" verbracht und dann wurde den Rest des Abends getanzt. Es wurde sehr viel Rap und Hip Hop gespielt, doch auch "Partykracher" wie YMCA oder Grease. Wir hatten alle super viel Spaß, denn es war ein wirklich gelungener Abend, den wir wohl alle in guter Erinnerung behalten werden. Danach ging für uns Seniors auch schon die Prüfungsvorbereitungszeit los. Diese fanden Ende Mai statt und ich schnitt mit sehr guten Ergebnissen ab, sodass ich auf die Honor Roll unserer Schule kam, in die Schüler mit nur A´s und B´s eingetragen werden. In unserer letzten Schulwoche fand außerdem die "Senior Awards Night" statt, bei der verschiedene Auszeichnungen an die Schüler der Abschlussklassen vergeben wurden. Ich bekam einen Award für meinen Notendurchschnitt (1,2), perfect attendance (wenn man keine Fehltage hatte- also der loserward :) ), Physik, NHS, Spanisch und Sozialkunde/Geschichte. Es war mir schon ein wenig peinlich, denn viele unserer Freunde meinten bereits, dass die Austauschschüler hier ganz schön den Tisch abräumen würden, denn auch Line gewann einiges. Am letzten Schultag hatten wir noch graduationprobe, ein Picknick und natürlich die Parade. ![]() Am darauffolgenden Sonntag war es auch schon Zeit für unsere Graduation. Sie fand in unserer Schulturnhalle statt, da wir sie wegen der Tornadowarnungen leider nicht im Stadion durchführen konnten. Es war trotzdem sehr schön und so wie man es aus den Filmen kennt. Wir alle hatten lange blaue Roben und eckige Hüte, die zum Schluss in die Luft geworfen wurden. ![]() ![]() Am Abend fand dann der beste Teil des gesamten Schuljahres statt - die Senior All Night Party. Eltern hatten diese Party das ganze Jahr über vorbereitet und es war super! Wir wurden mit einer altmodischen Straßenbahn von einem Treffpunkt abgeholt (von dem wir vorher wegen eines Tornados evakuiert wurden) und zur Schule gefahren, die wir kaum erkannten, da sie komplett umgestaltet war. Das Thema war "Das Leben ist eine Reise" und die Schule sah von außen wie ein riesiger Bahnhof aus der Zeit des Wilden Westens aus. In kleinen Gruppen wurden wir dann hineingelassen und kamen zuerst in einen Zugsimulator mit unserem Direktor als Cowboy- Schaffner. Als wir hineinkamen, erkannten wir unsere eigene Schule auch von innen nicht wieder! An den Wänden, wo früher unsere Schließfächer zu sehen waren, gab es nun Landschaften aus den unterschiedlichsten Ländern und auch jeder Klassenraum hatte ein anderes Land zum Motto. So gab es beispielsweise Paris, in dem sich ein Friseursalon befand und sich die gesamte Abschlussklasse an diesem Abend die Haare schneiden ließ, Athen, wo man sich von professionellen Masseusen massieren lassen konnte. Wir hatten Tanzkurse, eine Kletterwand; im Schulhof, der wie eine hawaiianische Strandbar aussah, standen plötzlich zwei Whirlpools für uns bereit, Make-up und Nagelsalons, wir konnten unsere eigenen Musikvideos drehen, auf riesengroßen Hüpfburgen rumtoben, es gab Karaoke und Wahrsagerinnen, Zauberer, Babyfoto-Ratespiele, Unmengen zu essen usw. usw. Wir waren die ganze Nacht bestens beschäftigt und neben diesen ganzen Dingen musste man auch wieder viele Fotos von den Leuten machen, die man nach dieser Nacht wohl nicht mehr sehen würde. Um 4 Uhr morgens erschien dann die Hauptattraktion- ein Hypnotiseur, der 10 von uns auf die Bühne holte ( darunter auch Line und mich) und uns die verrücktesten Dinge unter Hypnose machen ließ... Als wir morgens um 6 Uhr endlich im Bett lagen waren wir sehr erschöpft und auch wieder etwas traurig, da dies die Zeit in unserer Schule mit unseren Mitschülern nun vorbei war. Doch zwei Tage später ging es für Line, ihrer Familie und mich schon weiter nach Kalifornien und Santa Monica. Wir schwammen im Ozean ( obwohl es in Michigan wärmer war als in den vier Tagen California), verbrachten einen Tag im Disneyland, wo wir tausende Fotos mit Mickey, Donald und Co schossen. ![]() ![]() ![]() Einen Tag nahmen wir an einer Los Angeles Tour teil und sahen Hollywood mit den berühmten Handabdrücken, Rodeo Drive, Venice Beach, Beverly Hills und den Universal Studios, wo uns gezeigt wurde, wie Filme gedreht werden. Es war alles sehr aufregend und doch fand ich Los Angelos nicht so toll, denn es war sehr schmutzig und auch die Kriminalitätsrate war sehr hoch. Anschließend flogen wir weiter nach Denver in Colorado, wo wir Verwandte von Lines Eltern besuchten. Dies verbanden wir mit einer Rundfahrt durch Colorado. Es war der schönste US - Bundesstaat, in dem ich war, denn die Landschaft ist wirklich malerisch - vielleicht mit der der Schweiz vergleichbar. Als letzte Etappe unserer 12tägigen Tour stand Chicago auf dem Programm. Auch dort war es sehr schön, doch konnten wir es schon nicht mehr ganz genießen, weil es von dort aus nur noch wenige Tage bis zu Lines Abflug waren. Sie brachten mich zurück nach Detroit, wo Ron und Karen schon am Flughafen warteten, und der Abschied war wirklich sehr schwer! Wir hatten ein Jahr in einem Zimmer gelebt und waren so gut wie 24 Stunden täglich zusammen gewesen, ohne uns ein einziges Mal zu streiten, und nun würden wir uns so lange nicht mehr sehen können... Damit ich die Woche bis zur Ankunft Nadines, meiner Freundin aus Deutschland, nicht nur traurig zu Hause saß, stellte mich Ron in seiner Firma ein. Und ich verbrachte eine Woche damit, Ron bei seiner Gartenarchitektur zu helfen. Dass ich, wie meine Eltern hofften, dabei etwas Nützliches für unseren Garten hier zu Hause lernen würde, war allerdings nicht der Fall. Als Nadine dann eintraf, ging es mir auch gleich viel besser. Wir unternahmen sehr viel mit meinen amerikanischen Freunden und auch wenn Nadine keinen Gefallen an Partys finden konnte, bei denen alle einem Basketballspiel zusahen, hatten wir a good time. Wir gingen ins Kino, ritten, spielten mit unseren 13 Welpen, fuhren in den größten Vergnügungspark Amerikas nach Ohio, fuhren durch Detroit und sahen "8Mile by night" und verbrachten ein schönes Wochenende in Michigans Holland, wo man unter anderem in den riesigen Dünen dort sandboarding machen konnte (snowboarden im Sand). Einen Tag vor Nadine flog ich schon weiter nach Washington DC, wo ich viele der anderen Austauschschüler wiedersah, mit denen ich drei Tage in der Hauptstadt blieb und den Senat und alle anderen wichtigen Sehenswürdigkeiten besichtigte. Obwohl das alles sehr interessant war und wir auch die Möglichkeit hatten mit den Amerikanern, die gerade von ihrem Austauschjahr in Deutschland zurückkamen, zu erzählen, wären viele von uns doch gerne direkt nach Hause geflogen. Denn der Abschied von unseren Gasteltern und Freunden ist uns auch sehr schwer gefallen und wir waren alle nicht sehr gut drauf. Auf dem Flug nach Frankfurt änderte sich das etwas. Wir wurden alle sehr aufgeregt und konnten es kaum erwarten, in Deutschland anzukommen- deutsches Essen, deutsche Musik ( na ja, das wurde ja eine Enttäuschung, denn der Sommerhit dieses Jahres ist ja nicht annähernd etwas Deutsches *g*) und natürlich unsere Familien und Freunde. Von Frankfurt aus flog ich weiter nach Berlin und das Wiedersehen mit meinen Eltern war sehr schön und da machte es auch nichts, dass wir noch einige Stunden auf mein Gepäck warten mussten, das natürlich verlorengegangen war. Am Abend kamen meine Großeltern und meine beste Freundin noch zum Grillen. Obwohl ich müde war, war ich auch sehr glücklich, denn mir hatte das alles doch sehr gefehlt und es war und ist immer noch sehr schön wieder hier zu sein. Den nächsten Tag hatte ich Zeit zum Auspacken ( was sich allerdings über mehrere Tage hinzog) und am Dienstag wurde ich früh von meinen Freunden abgeholt, die mit mir zum Bahnhof fuhren, mir die Augen verbanden und mich in einen Zug führten. Auch wenn sie selber Stück für Stück die Überraschung preisgaben, war meine Überraschungsparty an der Ostsee und später bei Benni zu Hause sehr schön und ich habe mich sehr darüber gefreut! Die letzten zwei Wochen habe ich in Kroatien verbracht und so langsam bin ich wieder etwas im deutschen Rhythmus drin, mein amerikanischer Sprechgesang hat sich verflüchtigt und Sätze wie "Oh my god" haben sich auch wieder eingedeutscht. So froh ich auch bin, wieder hier zu sein, Richmond vermisse ich doch sehr und wenn ich die Fotos anschaue oder die Emails von meinen Freunden von drüben lese, werde ich doch ein wenig traurig. Doch hoffentlich werde ich irgendwann mal wieder für ein paar Wochen rüberfliegen können und Line wird mich ja auch bereits in knapp drei Wochen besuchen kommen. Das war also mein Jahr in Amerika und ich kann es nur jedem empfehlen, denn es bringt einfach so viele neue Erfahrungen und Erinnerungen, an denen man gerne festhält! Dann wünsche ich allen noch erholsame Ferien und einen scö÷nen Schulbeginn. Bis in zwei Wochen! Franziska |